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Einsatzleistende

Franziska Juli 2016

5 Wochen in Likoni sind eine sehr kurze, aber doch eindrucksvolle Zeit. Eindrucksvoll kann bedrücken, aufregend, glückliche und voller einzigartige Momente sein.

Die ersten Tage waren erst mal ziemlich chaotisch, da man in einer völlig anderen Kultur ankommt. Der gewöhnte europäische Lebensstandard ist nur selten zu finden. Auch die Gewohnheiten und der Alltag der Menschen sind unterschiedlich. In LIKONI ticken die Uhren anders. Die Arbeit und der Alltag im Krankenhaus ist verschieden. Tagsüber ist relativ wenig los. Einige Patienten kommen zur Nachbehandlung Infusionen, Spritzen und neue Verbände werden angelegt, Medikamente verteilt. Auch neue Patienten kommen zur Untersuchung. Auf den Straßen hingegen ist die Hölle los. Überall Menschen, Mütter mit ihren Kleinkinder auf dem Rücken, Schulkinder mit den Schuluniformen, Männer in Gruppen zusammen, Pickipickis (Motoräder) und Matatus (Kleinbusse bis zum Rand mit Leuten, Waren, Tieren und allem verrückten Zeug). Die Leute verkaufen Waren auf dem Markt, um ausreichend Geld für die Familie zu verdienen. Hier findet man einen bunten (teilweisend stinkenden) Mix aus allerlei Fisch, Gemüse und Obst, Gebäck und Kleinzeug. Auch günstige Second-Hand Kleidung und tausende von Schuhen liegen auf dem Boden. Mit dem richtigen Maß an Gefühl für die Menschen kann man beruhigt durch die Straßen schlendern. Fast überall werde ich angeredet und die Leute wollen alles über mich wissen. Manche Kinder sind völlig erstaunt über meine weiße Hautfarbe - andere geben mir die Hand und probieren ihre Englischkenntnisse aus. In der Nacht ist das Krankenhaus kaum wieder zu erkennen. Bereits um 21:00 Uhr ist das Wartezimmer und der Gang voller Menschen. Von kleinen “Wehwehchen” über weit verbreitete Krankheiten bis zu totkranken und schwer leidende Menschen ist alles dabei. Alle werden vom Doktor untersucht und dann von der Krankenschwester behandelt. Auch kleinere Operationen werden durchgeführt - was nachts manchmal ziemlich furchteinflößend sein kann. Der Ventilator dreht sich über der Lampe, was den Raum in flackerndes Licht taucht. Um doch ausreichend Licht zu bekommen, wird eine Taschenlampe zur Hilfe genommen. Manche Nächte sind normal und es kehrt bereits ab Mitternacht Ruhe ein und es kommen nur noch vereinzelnd Patienten. In anderen Nächten wiederum ist viel los. Neben den normalen Patienten kommt dann der ein oder andere Notfall dazu. Zwei betrunkene Männer nach einer Schlägerei mit schweren Verletzungen, ein junger Kerl im akuten Unterzucker, ein einjähriges Kind mit einer komplett verbrannten Hand. Alle werden soweit es geht behandelt und teilweise über Nacht im Krankenhaus behalten. Viele Familien können sich die Behandlung nicht leisten. Auch das Geld für Medikamente kann oft nicht aufgebracht werden. Die armen Familien aus Timbwani werden mit Hilfe der Spenden unterstützt. Vor allem die Kinder bekommen die Behandlungen gratis. Andere wiederum bezahlen auf Raten oder müssen sich das Geld leihen. Beim Besuch in Timbwani -einem Dorf bei LIKONI- wird einem das Leben und das Umfeld der Patienten erst richtig bewusst. Wir laufen den steinigen und staubigen Pfaden entlang zu den Hütten der Familien. Besuchen eine Mutter mit acht Kinder deren Mann vor einigen Monaten gestorben ist. Sie lebt mit allen ihren Kindern in zwei Räumen, ohne Strom ohne fließendes Wasser ohne gesicherten Lebensunterhalt. Alle schlafen zusammen auf dem Boden - für Matratzen ist kein Geld- das Dach ist undicht und es wimmelt von giftigen Tieren. Beim rausgehen schlag ich mir erst mal den Kopf an den Kochtöpfen über der Türe an. Gekocht wird draußen unter einem Felsvorsprung auf dem offenen Feuer. Einfache Mahlzeiten ohne Fleisch und nur wenig Gemüse. Hauptsächlich Ugali das einfach mit Mais, Mehl und Wasser abgemischt wird. Die Tochter Rose hat Tuberkolose und kann kaum laufen. Wir versprechen der Familie eine neue Matratze, die wir auch in der nächsten Woche kaufen konnten. So hat die Familie wenigstens ein wenig Gemütlichkeit in der kargen windschiefen Hütte. So besuchen wir viele Familien. Alle sind stolz uns in ihre bescheidenen Heime führen zu können und begegnen uns mit einer Freundlichkeit und Offenheit die in unserer normalen Welt oft nicht mehr zu finden ist. Sie freuen sich über die einfachsten Dinge. Zum Beispiel ein Päckchen Bohnen oder Reis und erzählen dir Ihre ganz persönliche Geschichte.

LIKONI ist ein wunderbarer Ort über den ich Stunden erzählen könnte. Dort durfte ich viele Erfahrungen sammeln und neue Dinge lernen. LIKONI ist ein Ort voller Not und Armut aber auch ein glücklicher Ort voller Lebensfreude und Gelassenheit.

 

Franziska Gerstmeier

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